Auf ein Wort

„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“

so lautet die biblische Losung für das neue Jahr 2021 aus Lukas 6,36. Wir bekommen dieses Mal also keine Ermunterung, keine geistliche Erbauung, keinen Zuspruch mit auf den Weg ins neue Jahr, sondern eine glasklare Aufforderung, eine Verhaltensmaßregel.
Und wenn man die Stelle in der Bibel nachschlägt, dann findet man Hinweise, wie solche Barmherzigkeit nach Jesu Willen gelebt werden soll:

Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen;
segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen.
Wer dich bittet, dem gib; und wer dir das Deine nimmt, von dem fordere es nicht zurück.
Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!
Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.
Gebt, so wird euch gegeben.

Jesus hat selber nach diesen Regeln gehandelt. Er hat darauf vertraut, dass erfahrene Barmherzigkeit die Menschen zur Umkehr führen würde. Sie also dazu bringen würde, nun das Rechte zu tun und anders zu leben.

Dass erfahrene Barmherzigkeit barmherzig macht, funktioniert wirklich, aber es funktioniert nicht immer. Darüber müssen wir uns im Klaren sein.
Manchmal wird unsere Barmherzigkeit ausgenutzt werden. Manchmal werden wir Verletzungen davontragen, wenn wir barmherzig sind. Damit müssen wir rechnen, wenn wir unseren Mitmenschen in der Haltung der Barmherzigkeit begegnen. Zu dieser Haltung gehört es, dass wir das auf uns nehmen.

Jesus motiviert seine Anweisung nicht damit, dass sie zum Erfolg führt. Er lässt sich von seiner Barmherzigkeit auch dadurch nicht abbringen, dass manche Menschen böse bleiben und ihm Böses tun. Denn er ist die Barmherzigkeit Gottes in Person. Jesus begründet die Aufforderung, barmherzig zu sein, einfach damit, dass unser Vater im Himmel sich ja auch uns gegenüber barmherzig verhält. Dem sollen wir entsprechen.


Diese Haltung der Barmherzigkeit ist uns nicht einfach von Natur gegeben. Wir müssen sie einüben. Und genau dazu werden wir mit der Jahreslosung aufgefordert. Und ich bin mir fast sicher: Wo wir das tun, wo wir es wirklich wagen und umsetzen, werden wir – neben dem, was wir auch ertragen müssen - Wunder erleben. Nicht nur unser blaues Wunder, sondern wirklich Wunderbares –

weil Menschen sich öffnen und wir ganz neue Seiten an ihnen entdecken,
weil Nähe entsteht und Verständnis und die wachsende Gemeinschaft uns selber gut tut,
weil das Leben da auf einmal eine neue Qualität gewinnt: die Qualität der Liebe, die das Leben so unendlich reich macht.

Also: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“

Ihr Pfarrer