Hoffnung

1. Petrus 1, 3 - 9

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das aufbewahrt wird im Himmel für euch, die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werdet zur Seligkeit, die bereit ist, dass sie offenbar werde zu der letzten Zeit.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus Jesus! Was ist Hoffnung? Und was geschieht, wenn keine Hoffnung da ist? Hoffnung – ist das zentrale Wort des Textes über das ich heute etwas nachdenken will. Und es lohnt sich nicht nur, weil uns das menschliche Empfinden sagt, dass ein Mensch, der alle Hoffnung verliert, schlechte Chancen hat zu überleben, sondern auch weil Hoffnung etwas ist, was uns laut dem Wort Gottes in alle Ewigkeit begleiten wird. Nach dem Hohen Lied der Liebe werden eines Tages alle Gaben und Fähigkeiten ihre Bedeutung verlieren, außer der Liebe, dem Glauben und der Hoffnung. Diese drei, heißt es, werden in alle Ewigkeit bleiben. Daher ist es wichtig, dass wir uns fragen, was für eine Vorstellung wir von Hoffnung haben und was für eine Realität sie in unserem Alltag darstellt. Und vielleicht passt die folgende Geschichte manchmal auch zu unserer Lebenssituation:

Es war eine kleine Frau, die ging einen staubigen Feldweg entlang. Sie war schon recht alt, doch ihr Gang war leicht, und ihr Lächeln hatte den frischen Glanz eines unbekümmerten Mädchens. Bei einer zusammengekauerten Gestalt blieb sie stehen und sah hinunter. Das Wesen, das da im Staub auf dem Wege saß, schien fast körperlos. Die kleine Frau bückte sich und fragte: "Wer bist du?" Zwei Augen blickten müde auf. "Ich? Ich bin die Traurigkeit", flüsterte die Stimme leise. "Ach, die Traurigkeit!" rief die kleine Frau erfreut aus. "Du kennst mich?" fragte die Traurigkeit misstrauisch. "Natürlich kenne ich dich! Immer wieder hast du mich ein Stück des Weges begleitet." "Ja, aber...", argwöhnte die Traurigkeit, "warum flüchtest du dann nicht vor mir? Hast du denn keine Angst?" "Warum sollte ich vor dir davonlaufen, meine Liebe? Du weißt doch selbst nur zu gut, dass du jeden Flüchtling einholst. Aber, was ich dich fragen will: Warum siehst du so mutlos aus?" "Ich... bin traurig", antwortete die graue Gestalt mit brüchiger Stimme." Die kleine alte Frau setzte sich zu ihr. "Traurig bist du also", nickte sie verständnisvoll mit dem Kopf. "Erzähl mir doch, was dich so bedrückt. „Die Traurigkeit seufzte tief. - "Ach, weißt du", begann sie zögernd, "es ist so, dass mich einfach niemand mag. Es ist nun mal meine Bestimmung, unter die Menschen zu gehen und für eine gewisse Zeit bei ihnen zu verweilen. Aber wenn ich zu ihnen komme, schrecken sie zurück. Sie fürchten sich vor mir. Sie haben Sätze erfunden, mit denen sie mich bannen wollen. Sie sagen: Papperlapapp, das Leben ist heiter. Und ihr falsches Lachen führt zu Magenkrämpfen und Atemnot. Sie sagen: Gelobt sei, was hart macht. Und dann bekommen sie Herzschmerzen. Sie sagen: Man muss sich nur zusammenreißen. Und spüren das Reißen in den Schultern und im Rücken. Sie sagen: Nur Schwächlinge weinen. Und die aufgestauten Tränen sprengen fast ihre Köpfe. Oder aber sie betäuben sich mit Alkohol und Drogen, damit sie mich nicht fühlen müssen." - "Oh ja", bestätigte die alte Frau, "solche Menschen sind mir schon oft begegnet." Die Traurigkeit sank noch ein wenig mehr in sich zusammen. "Und dabei will ich den Menschen doch nur helfen. Wenn ich ganz nah bei ihnen bin, können sie sich selbst begegnen. Ich helfe ihnen, ein Nest zu bauen, um ihre Wunden zu pflegen. Wer traurig ist, hat eine besonders dünne Haut. Manches Leid bricht wieder auf, wie eine schlecht verheilte Wunde, und das tut sehr weh. Aber nur, wer die Trauer zulässt und all die ungeweinten Tränen weint, kann seine Wunden wirklich heilen. Doch die Menschen wollen gar nicht, dass ich ihnen dabei helfe. Stattdessen schminken sie sich ein grelles Lachen über ihre Narben. Oder sie legen sich einen dicken Panzer aus Bitterkeit zu." …

Soweit der Anfang der Geschichte von der traurigen Traurigkeit .... sicherlich werden Sie sich fragen was dies mit unserem Bibeltext zu tun hat! Aber ist es nicht so, dass wir oft, wenn wir die Hoffnung verlieren wie dieses kleine Bündel einfach an unserem Lebensweg sitzen und vor lauter Traurigkeit den Blick auf das Ziel verlieren? Deshalb noch einmal die Frage: Welche Bedeutung hat das Wort Hoffnung für uns? Ist Hoffnung für uns mehr als nur eine fromme Floskel, wohin sich meine Seele flüchtet, um nicht loslassen zu müssen, wenn Ziele und Wünsche nicht erreicht werden können, damit Enttäuschung und Schmerz mich nicht mit voller Wucht treffen? Oft sagen wir von einem Menschen „Er ist meine letzte Hoffnung“, wenn es darum geht, ein Problem zu lösen, an dem wir uns die Zähne ausgebissen haben. Eine Person verkörpert dann die Erfüllung einer konkreten Hoffnung. Momentan sind das wohl mehrere Personen, und vor allen Dingen die Mediziner des Robert Koch Institutes und anderer Forschungsinstitute, die das Corona Virus erforschen und an der Entwicklung eines Impfstoffes gegen das Covid-19 arbeiten. Die Hoffnung auf eine Person setzen - eigentlich ist dieses Denken ganz biblisch. Bei Paulus heißt es: Jesus Christus ist unsere Hoffnung. Damit sagt er, dass Jesus die Verkörperung der Erfüllung unserer Erwartung ist. Woher kommt das Wort Hoffnung eigentlich? Es ist verwandt mit dem engischen „hope“ und dem mittelniederdt. „hopen“ - „hüpfen“ - „vor Erwartung unruhig springen“. Und im Wort Erwartung ist wiederum das Wort „warten“ enthalten. Also hat Hoffnung auch mit Warten auf etwas zu tun. Dabei ist mit „Warten“ meist ein eher unangenehmer, oft spannungsreicher Zustand verbunden. Niemand wartet gerne. Die Allermeisten von uns wollen das Erwartete sofort, schmerzlos und kostenlos haben. Wir kommen aber nicht darum herum, dass das Warten zu unserem Menschsein gehört. Und was geschieht beim Warten? Geht dabei einfach kostbare Zeit verloren? Die kleine traurige Gestalt aus unserer Geschichte scheint das Warten und damit das Hoffen aufgegeben zu haben. Reglos sitzt sie am Wegesrand. In der Natur ist das Warten ein Prozess des Wachstums und des Reifens einer Frucht. Auch bei uns Menschen wächst etwas, wenn wir warten, vor allem, wenn wir etwas erwarten. Was in uns wächst, hängt jedoch entscheidend von dem ab, worauf wir warten oder was wir erwarten. Es ist nicht automatisch so, dass Leben, Sehnsucht, Freude oder Friede in uns heranwächst. Es kann auch Frustration, Zorn, Ärger oder Bitterkeit wachsen. Das hat damit zu tun, was der Inhalt unserer Hoffnung, unseres Wartens und Erwartens ist. Was ist also unsere Hoffnung? Worauf warten wir wirklich? Vielleicht auf Gesundheit nach einer langen Krankheit oder auf einen Neuanfang in einer gescheiterten Ehe? Momentan warten wir auf ein Ende der Corona Krise – wann können wir wieder unsere Freunde, die Schule oder die Familie besuchen? Und die kleinen Geschäfte warten darauf, dass sie wieder öffnen können und hoffentlich die Krise einigermaßen gut überstehen. Und jetzt im Frühling warten die Landwirte auf das richtige Maß zwischen Regen und Sonnenschein. Das sind alles menschliche Hoffnungen. Nur an besonderen Tagen wie zu Silvester oder an runden Geburtstagen denken wir über unser Leben, den zerbrochenen oder erfüllten Hoffnungen und über das, was nach unserem Leben kommt, nach. Und es stellt sich die Frage: Worin ist meine Hoffnung, meine Erwartung begründet und verankert? Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.“ Wir sind wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung! So gibt es offenbar auch tote Hoffnungen. Diese Hoffnungen sind nicht im lebendigen Gott gegründet, sondern in der unbeständigen, unberechenbaren und unverlässlichen Seele des Menschen. Darum gibt es tote Hoffnungen, die nirgends hinführen, weil die Quelle und das Ziel dieser Hoffnungen nicht Gott selber ist, sondern der von Gott losgelöste Mensch, der auf sich selber baut.

Ein Bild für eine lebendige Hoffnung gibt uns auch der Prophet Jeremia: „Gesegnet ist der Mann, der sich auf den Herrn verlässt und dessen Hoffnung der Herr ist. Er ist wie ein Baum, am Wasser gepflanzt, der seine Wurzeln zum Bache hinbreitet. Er braucht nichts zu fürchten, wenn die Hitze kommt, sein Laub bleibt immer grün.“ Die Wurzeln unseres Seins, unseres Lebens bekommen Zugang zum lebendigen Wasser, das aus dem Herzen Gottes fließt und uns zu einem Baum heranwachsen lässt, der seine Leben schaffende Frucht unter allen Umständen hervorbringt. Wir werden nicht nur eine lebendige Hoffnung haben, sondern selber für andere zu einer lebendigen Hoffnung werden. Manches haben wir Menschen dabei nicht in der Hand, anderes sehr wohl. Manche Hoffnung erfüllt unser Herz ganz. Wir richten unser Leben danach aus. Wir arbeiten daran mit. Und darauf hin. Manchmal stoßen wir dabei an Grenzen und spüren unser Menschsein. Dann können wir unsere Lage im Gebet vor Gott bringen. Diese Möglichkeit bleibt immer erhalten. Und das ist sehr beruhigend. Der Glaube kann unser Leben grundsätzlich mit Hoffnung füllen. Dadurch wird das Schlimme nicht schön, aber es verliert an Schrecken. Tod, menschliche Schicksalsschläge, Katastrophen können Menschen zutiefst erschüttern. Und dies erleben wir weltweit ganz aktuell in der größten Krise seit dem 2. Weltkrieg. Ganz abgesehen von den vielen großen und kleinen Sorgen, die wir uns machen. Dagegen kann unser Glaube etwas Positives setzen und neue Hoffnung stiften. Jesus Christus hat den Tod besiegt, alles Grauen währt nur bis zum dritten Tag. Das soll kein vorschneller Trost sein, sondern Ausdruck der Gewissheit, dass es auch in dieser krisengeschüttelten Welt und in unserem Leben Hoffnung und Ermutigung gibt. Denn ich weiß: Alle meine Sorgen sind in diesem Glauben aufgehoben, nicht beseitigt, aber aufgehoben.

Sorgen sind heimtückisch und zäh. Sie schleichen sich in unser Herz und kleben dann hartnäckig in unserer Seele. Sorgen kann man nicht einfach ignorieren und man kann sie auch nicht herunterspielen und auch nicht so tun, als wären sie nicht da. Deshalb ermutigt Gott uns, Sorgen nicht zu verdrängen, sondern sie an Jesus Christus abzugeben. Seine Fürsorge und Liebe zu uns sind die Garantie, dass unser Leben mit allen Sorgen und Kümmernissen bei ihm gut aufgehoben ist. Die Kunst des Lebens besteht darin, Einklang herzustellen zwischen meinen Hoffnungen und Gottes Plan für mein Leben – für unsere Welt. Was wir dafür brauchen ist ein Leben weg von mancher Oberflächlichkeit. Mit neuen Ohren, um Gottes Willen hören zu können. Ruhig werden im Alltag, um zu Gott zu finden und zu einer lebendigen Beziehung mit ihm zu kommen. Ich muss mir Zeit einplanen für meine Beziehung zu Gott. Dann wird das Hören und Begegnen mit Gott immer deutlicher. Gott begegnet uns auf vielfältige Weise und es ist gut, ihn wahrzunehmen im Leben. Vielleicht brauchen wir dazu einen bestimmten Ort. Nicht unbedingt eine Kirche – oder doch? Denn gerade jetzt sind Kirchentüren offen – zwar nicht zum Gottesdienst, aber zu einer stillen Einkehr und einem Gebet. Vielleicht ist es in diesen Tagen ein Stuhl in einer ruhigen Zimmerecke, ein Bild, eine Kerze, eine Stunde mit den Menschen, die mit mir in meinem Haushalt leben oder ein Plätzchen allein im Garten oder im Wald. Auch ich brauche solche Orte und Zeiten, wie die Luft zum Atmen und dann wird das Leben klarer und auch der rote Faden besser sichtbar. Es gibt mir Kraft und Festigkeit, auch wenn es mal nicht so läuft, und neue Zuversicht. Ich wünsche Ihnen, dass Sie auch so einen Ort finden und sich Zeit einplanen, um Gott zu begegnen und ihn zu spüren. Viele Menschen setzen in diesen Tagen Hoffnungszeichen - das ist zum einen das Anzünden einer Kerze im Fenster der Gemeinde um ein gemeinsames Zeichen und Gebet anzuzeigen.

Und dann gibt es noch die Regenbogenbilder – selbst gestaltet, gemalt und aufgehängt im Fenster. Ich finde diese Zeichen ermutigend und hoffnungsvoll. Alles wird gut – so stand auf dem Regenbogenbild eines Kindes in einem Fenster in Röckenhof. Und als ob Gott es an den Himmel gemalt hätte, so stand am 1.3.2020 der Regenbogen über Röckenhof – klar und deutlich wie es das Foto zeigt.Gott ist auch bei Ihnen und begleitet Sie alle Tage. Und wenn wir uns an ihn halten und sein Mitgehen spüren, werden wir mit hineingezogen in sein Leben und bekommen Kraft für gute und klare Gedanken und für unsere Hoffnungen. Das wünsche ich uns allen in diesen Tagen. Hören wir zum Schluss noch das Ende der Geschichte von der traurigen Traurigkeit...

Die Traurigkeit schwieg. Ihr Weinen war erst schwach, dann stärker und schließlich ganz verzweifelt. Die kleine, alte Frau nahm die zusammengesunkene Gestalt tröstend in ihre Arme. Wie weich und sanft sie sich anfühlte, dachte sie und streichelte zärtlich das zitternde Bündel. "Weine nur, Traurigkeit", flüsterte sie liebevoll, "ruh dich aus, damit du wieder Kraft sammeln kannst. Du sollst von nun an nicht mehr alleine wandern. Ich werde dich begleiten, damit die Mutlosigkeit nicht noch mehr an Macht gewinnt." Die Traurigkeit hörte auf zu weinen. Sie richtete sich auf und betrachtete erstaunt ihre neue Gefährtin: "Aber ... aber - wer bist eigentlich du?" - "Ich?" sagte die kleine, alte Frau schmunzelnd, und dann lächelte sie wieder so unbekümmert wie ein kleines Mädchen: "Ich bin die Hoffnung!"

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Mit den herzlichsten Grüßen und Wünschen für die Gesundheit verbunden mit der Hoffnung auf ein Wiedersehen in Beerbach
Susanne Michler aus Röckenhof