Der Grund, auf dem wir stehen

Weil wir also aufgrund des Glaubens als gerecht gelten, haben wir Frieden mit Gott. Das verdanken wir unserem Herrn Jesus Christus. Durch den Glauben hat er uns den Zugang zur Gnade Gottes ermöglicht. Sie ist der Grund auf dem wir stehen.

Und wir dürfen wirklich stolz sein auf die sichere Hoffnung, zur Herrlichkeit des Gottes zu gelangen. Aber nicht nur das. Wir dürfen auch auf das stolz sein, was wir gegenwärtig erleiden müssen. Denn wir wissen:

Das Leid lehrt, standhaft zu bleiben. Die Standhaftigkeit führt zur Bewährung. Die Bewährung bringt Hoffnung. Aber die Hoffnung macht uns nicht zum Gespött. Denn Gott hat seine Liebe in unsere Herzen hineingegossen. Das ist durch den Heiligen Geist geschehen, den Gott uns geschenkt hat.

Römer 5,1-5

Liebe Gemeinde!

Am 9. April jährt sich der Todestag Dietrich Bonhoeffers zum 75. Mal. Mich hat dieser Zeuge des Glaubens schon in jungen Jahren sehr beeindruckt und er beschäftigt mich bis heute.

Er war fromm und hat ein noch heute lesenswertes Buch über die Nachfolge geschrieben.

Er war politisch scharfsichtig und hat sich nicht wie andere von der nationalistischen, völkischen und antisemitischen Ideologie der Nazis blenden lassen.

Er war nicht nur ein Denker, sondern wurde tätig. Er ging mit seiner Theologenausbildung in den Untergrund und nahm schließlich am Widerstand gegen Hitler teil.

Vor allem aber beeindruckt mich sein Verhalten in der Haft und wie er seinem Tod entgegenging: gefasst – im Vertrauen auf Gott.

Noch zur Jahreswende 44/45 hat Bonhoeffer ja sein berühmtes Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ geschrieben.

Sein Glaubenszeugnis ist umso glaubwürdiger, da er kein entrückter Heiliger war, fern aller Bedrängnis. Er war angefochten in seinem Leben, in seinem Glauben. Er hat gelitten. Er hat gekämpft: mit sich, gegen den Nazi-Staat, für die verfolgten Juden.

Es war ihm manchmal ganz schwer im Leben und im Glauben. Er hat die Zerrissenheit und Widersprüchlichkeit der christlichen Existenz am eigenen Leib erfahren.

Davon gibt ein anderes Gedicht von ihm Zeugnis, das nicht so bekannt ist wie „Von guten Mächten.“ Es trägt die Überschrift „Wer bin ich?“ und wurde auch in der Haft geschrieben.


Wer bin ich? Sie sagen mir oft

ich träte aus meiner Zelle

gelassen und heiter und fest,

wie ein Gutsherr aus seinem Schloss.

Wer bin ich? Sie sagen mir auch,

ich trüge die Tage des Unglücks

gleichmütig, lächelnd und stolz,

wie einer, der Siegen gewohnt ist.


Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?

Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?

Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,

ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,

hungernd nach Farben, anch Blumen, nach Vogelstimmen,

dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe, …

müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,

matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?


Wer bin ich? Der oder jener?

Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer?

Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler

und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?...

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.

Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!


„Weil wir also aufgrund unseres Glaubens als gerecht gelten, haben wir Frieden im Verhältnis zu Gott.“, schreibt Paulus.

„Wer ich auch bin, du kennst mich, dein bin ich, o Gott!“, schreibt Bonhoeffer.

Und beide beschreiben hier einen Grund, ein Fundament, auf dem der Mensch auch noch im größten Leid sicher steht; gehalten ist; das ihn nicht untergehen lässt, egal was ihn bedroht.

Ein Fundament, das von keiner Bedrängnis mehr in Frage gestellt werden kann. Ein Fundament, das auch bei einer Krebsdiagnose hält, das vor Corona nicht ins Wanken kommt und einen auch nicht angesichts bedrohlicher politischer Entwicklungen in der Welt wanken lässt.

Wer auf diesem Fundament steht, ist all dem nicht entrückt. Ist dem Leid, der Anfechtung, nicht enthoben.

Er weiß sich bedroht, ist bedroht. Er kämpft. Er hat Angst, unterzugehen. Aber er steht dann doch auf diesem Fundament.

Er glaubt, will glauben und trägt doch den Zweifel in sich.

Er vertraut Gott und doch ist in ihm auch eine Rebellion gegen Gott, gegen diesen Gott, der ihn vor all dem Schweren nicht bewahrt; dessen Nähe er sucht, und der ihm doch oft fern bleibt; dessen Wort er hört und ernst nimmt, auf das er sich aber dann doch nicht verlässt, dem zu gehorchen dann doch so schwer ist.

Doch unter all dem ist dann eben dieses Fundament; hinter all dem bedrohlichen Dunkel leuchtet dann doch dieses tröstliche Licht, das einen ruhig macht.

„Wir haben Frieden mit Gott.“ sagt Paulus.


Wie kommen wir zu diesem Frieden?

„Das verdanken wir unserem Herrn Jesus Christus. Durch den Glauben hat er uns den Zugang zur Gnade ermöglicht. Sie ist der Grund, auf dem wir stehen.“ - so drückt es Paulus aus.

Er formuliert hier zwar sehr theologisch, aber er spricht nicht als Dogmatiker, sondern aus Erfahrung.

Er selber hat zu diesem Frieden mit Gott gefunden. Und es war nicht die eigene Anstrengung, die ihn dahin brachte. Zum Frieden mit Gott kann man sich nicht hinbeten oder hinmeditieren. Man erlangt ihn auch nicht dadurch, dass man nach Gottes Willen lebt und gut handelt.

Genau das glaubte Paulus ja zu tun, als er die Christen noch verfolgte. Er tat das in der Überzeugung Gott damit zu dienen.

Aber eines Tages hörte er die Stimme des auferstandenen Christus und in diesem Moment ging Paulus die Wahrheit auf. Er erkannte: sein ganzes Leben bisher war in Wahrheit ein Kampf gegen Gott.

Trotzdem, ja vielleicht gerade deswegen nahm sich Christus seiner an. Seine Schuld zählte da nicht. Er wurde sogar in den Dienst Chrsti gerufen. So erlebte Paulus die Gnade Gottes.

Und er verstand, dass Gott die Menschen liebt und sie durch seine Liebe zurechtbringt, nicht durch Strafe. Es ist die Kraft dieser Liebe, die den Menschen verwandelt, die seine Opposition gegen Gott aufhebt; die ihn dieses Fundament verleiht, auf dem man sicher stehen kann – weil diese Liebe so unverbrüchlich feststeht für uns.

Und dieser Liebe, diesem Angenommensein von Gott hat sich Paulus nun ganz hingegeben; dem hat er ganz vertraut; darauf sich ganz verlassen.

Darin bestand sein Glaube.

Gerecht geworden durch den Glauben haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus. - So fasst er diese Erfahrung zusammen.

Liebe Gemeinde!

Unsere Erfahrungen mit Gott müssen nicht so spektakulär sein, wie die des Paulus, der blind wurde und vom Verfolger zum Nachfolger.

Aber wer in das Kraftfeld der Liebe Gottes geraten ist, wird sich dessen immer mit einem großen Glücksgefühl erinnern.

Damals kam ich zum Glauben. Damals habe ich eine Kraft erlebt, die mein ganzes Leben verändert hat und es bis heute trägt. Da habe ich dieses Fundament gespürt.

Mancher hatte ein besonderes Erlebnis, bei anderen sind es viele kleine Schritte, die das Vertrauen in Gott haben so wachsen lassen und durch die er dieses Fundament gefunden hat.

Aber wenn Gott uns angesprochen hat, dann kommt es für uns darauf an, uns in der Wirklichkeit Gottes festzumachen. Da spielen nun die Bibel, das Gebet, der Gottesdienst, die Gemeinschaft der Glaubenden ihre wichtige Rolle. Denn durch all das, macht der Christ sich in seinem Denken, in seinem Vertrauen, in seinem Hoffen und Handeln in Gott fest.

So war es bei Paulus. So war es bei Bonhoeffer. So ist es bei uns.

Und wir haben nicht nur das Versprechen, die Zusage, dass Gott uns liebt, dass wir Frieden mit ihm haben.

Paulus weist darauf hin, dass Gott sein Versprechen, zu retten, was verloren ist, ja erfüllt hat.

Er kam in Christus zu den Menschen. Christus ist für uns gestorben. Eine größere Liebe kann man nicht erweisen als für den Geliebten sein Leben zu geben.

Mehr noch: „Gott hat seine Liebe in unsere Herzen hineingegossen. Das ist durch den Heiligen Geist geschehen, den Gott uns geschenkt hat.“

Also: Was damals vor 2000 Jahren geschehen ist, ist uns deswegen nicht fern. Die Liebe Gottes ist in uns und wirkt in uns. Dazu hat er uns bei der Taufe seinen Geist geschenkt, dass wir hier und heute im Kraftfeld der Liebe Gottes leben. Oder anders ausgedrückt: Damit wir heute auf dem unerschütterlichen Fundament stehen können.


Nun ist es aber das Eigentümliche dieser Kraft, dass sie vom Menschen auch als Widerspruch zu allem Eigenen erfahren wird.

Im Kraftfeld der Liebe Gottes heißt also auch: sein altes Leben in Frage gestellt sehen; seine bisherigen Ziele, ja sogar den bisherigen Glauben – so wie es bei Paulus eben war.

Und es ist das Eigentümliche dieser Kraft, dass sie nur in tiefgreifenden Anfechtungen als deren Überwindung überfahren wird.

Im Kraftfeld der Liebe Gottes sein bedeutet also nicht ein Ausruhen auf der Insel der Seligen, sondern führt zum Kampf – in mir, mit Anfechtungen von außen, mit Bedrängnissen.

Das ist wohl so, weil die Kraft der Liebe Gottes alles herausfordert, was gegen Gott ist.

Aber weil das so ist, deswegen kann Paulus sagen: „Wir dürfen auch auf das stolz sein, was wir gegenwärtig erleiden müssen.“ Denn gerade in diesem Kampf des Glaubens gegen die gegenwärtige Wirklichkeit zeigt sich ja die Kraft der Liebe Gottes, die in uns wirkt.

Und dann gilt eben:

Das Leid führt dazu, dass wir standhaft bleiben.

Die Standhaftigkeit führt dazu, dass wir uns bewähren.

Die Bewährung aber führt dazu, dass wir hoffen.

Und in dieser Hoffnung wird noch eine andere Dimension der Gnade sichtbar.

Gnade ist ja die Kraft der Liebe Gottes. Durch den Glauben haben wir Zugang zu dieser Kraft. Und wo diese Kraft wirkmächtig wird im Menschen, da gewinnt der Mensch ein Vertrauen zu Gott, das über den Horizont des irdischen Lebens hinausgeht.

Dann traut der Mensch Gott zu, dass auch der Tod für ihn keine endgültige Grenze ist. Dann wird ihm die Liebe Gottes zu einer letzten Gewissheit, zum Fundament, an dem nichts mehr rütteln kann, auch nicht der Tod. Dann hat der Mensch Frieden mit Gott. Das ist die christliche Hoffnung.

Und so war es bei Dietrich Bonhoeffer. „Wer ich auch bin, du kennst mich, dein bin ich, o Gott!“

Daran konnten auch die Nazischergen nicht mehr rütteln. Daran konnte auch der Untergang Deutschlands damals nicht rütteln. Das war eine Hoffnung, die alles überstrahlte.

Diese letzte Gewissheit setzt sich gegen alle Widersprüche, Anfechtungen, Zweifel und Verzweiflung durch.

Diese Gewissheit ließ Bonhoeffer getrost über die vorletzten Dinge auf die letzten Dinge schauen.

In dieser Gewissheit konnte er tun, was er tat, und dem Tod gefasst entgegentreten.


Aber noch einmal: Diese Gewissheit, dieses Fundament, dieser Friede ist theologisch gesprochen ein Wunder, ein Werk Gottes. Das entspringt nicht einem geistlichen Kraftakt des Menschen. Das ist nicht Ergebnis einer frommen Willensanstrengung. Das ist Geschenk.

Wir haben Frieden mit Gott. Und wir haben – dank des Einsatzes Jesu – Zugang zu dieser Gnade im Glauben. Und um eben diesen Glauben können wir immer nur bitten.

Amen.