Gedanken zum 3. Advent

Auszeit  -  Lukas 1,67-79
3. Advent 2020

Liebe Gemeinde!
Der Lockdown ist für viele wie eine Auszeit. Und heute hören wir von einem, dem Gott eine Auszeit verordnet hat, damit er wieder neu Glauben und hoffen kann.
Es ist Zacharias, der Vater Johannes des Täufers. Von ihm wissen wir, dass er mit Elisabeth, der Verwandten Marias, verheiratet war; dass die Ehe kinderlos geblieben war und dass er Priester war am Jerusalemer Tempel.
Zacharias war also Vertreter des etablierten Religonsbetriebes. Er vollzog die Rituale im Tempel, zelebrierte die Liturgie, brachte die Opfer dar, las die heiligen Texte.
Aber hatte er noch eine lebendige Hoffnung einen lebendigen Glauben?
Wir müssen uns ja vor Augen halten: Zu seiner Zeit haben die Juden schon seit vielen Jahrhunderten auf den von den Propheten angekündigten Retter gewartet. Und in all den Jahrhunderten war er nicht gekommen.
Sie merken schon: denen ging es damals genauso wie uns heute mit dem Advent und unserem Glauben an die Wiederkunft Christi.
Und wir müssen wohl davon ausgehen: auch damals war bei vielen der Glaube erlahmt, zur Tradition erstarrt und in Ritualen verfestigt.
Die Sehnsucht nach Gott war nicht mehr lebendig; erfüllte nicht und trieb sie nicht mehr um.
So sehe ich auch den Priester Zacharias vor mir: ein Vertreter eines müde und zur Routine gewordenen Religionsbetriebes.
Und so verwundert es mich auch nicht, dass noch  nicht einmal die Begegnung mit einem Engel daran etwas ändert. Gott schickt ihm einen Engel mit einer wunderbaren Botschaft: Er und seine Frau sollen doch noch einen Sohn bekommen. Ihr Lebenstraum, den sie längst abgeschrieben hatten, soll sich doch noch erfüllen.
Und wie reagiert der Priester Zacharias? Skeptisch! Er steht dem Engel gegenüber und glaubt ihm nicht. Seine Frau ist über das Alter für Kinder hinaus. Der Verstand sagt ihm, dass es nicht mehr geht. - Engel hin oder her.
Wäre es bei uns anders? -
Der Engel lässt den Zacharias stumm werden. Man kann darin eine Bestrafung sehen. Aber ist es vielleicht etwas ganz anderes, nämlich eine Hilfestellung für den Priester, dessen Glauben erlahmt ist?
Er kann ja seinen Dienst nicht mehr tun, er wird also herausgerissen aus der leeren Routine. Er bekommt Zeit, um in sich zu gehen; Zeit zum Nachdenken; eine Auszeit.
Es ist die Zeit, die er offensichtlich braucht, um die Schwangerschaft seiner Frau als Zeichen wahrzunehmen; um das, was ihm da widerfährt an sich ran-zulassen und zu verstehen. In gewisser Weise geht also auch er schwanger und wächst in ihm Neues.

Liebe Gemeinde!
Ich frage mich, ob diese Coronazeit für auch so etwas ist, so eine Auszeit sein soll? Ich gehe davon aus, dass wir sie nicht umsonst erleben und dass sie auch nicht an Gott vorbei einfach geschieht.
Bei Zacharias erfahren wir, dass diese Auszeit Enormes bewirkt hat. Obwohl er schon alt war, bekam sein Leben noch einmal ungeahnten Schwung wurde sein Glaube noch einmal ganz  neu entfacht.
Denn irgendwann hat Zacharias das Zeichen Gottes als solches erkannt und verstanden. Dem Zacharias ist also in seiner Auszeit etwas aufgegangen. Der Skeptiker mit dem erlahmten Glauben fängt neu an zu brennen.
Doch leider schweigt sich der Evangelist Lukas darüber aus, wie genau das vor sich ging.
Doch es ging da etwas vor sich. Denn als sein Sohn geboren wird, kann Zacharias wieder reden, und was er da sagt, zeugt von einer neuen, fast über-schäumenden Hoffnung, von brennendem Glauben. Im ersten Kapitel des Lukasevangeliums lesen wir:

Und sein Vater Zacharias wurde vom Heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn aer hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils im Hause seines Dieners David – wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten –,
dass er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund und an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham,
uns zu geben, dass wir, erlöst aus der Hand unsrer Feinde,  ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang
in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen.
Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes,
durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

Er weissagte - wie ein Prophet. Aus dem Priester und Religionsverwalter der alten Tradition ist ein Prophet geworden.
Denn ihm ist aufgegangen: Jetzt handelt Gott. Mit Johannes und mit dem Kind der Maria setzt Gott neu ein in der langen Geschichte mit seinem Volk. Er spricht wieder zu seinem Volk. Und weil Gott neu handelt und spricht, hat auch Zacharias wieder etwas zu sagen,  und zwar etwas Neues zu sagen.
Seit Maleachi, also seit etwa 400 Jahren hatte es keinen Propheten mehr in Israel gegeben. Und nun wird Zacharias zum Propheten. Und was er zu sagen hat, ist überwältigend.
Zunächst erinnert Zachrias das Gottesvolk an den Bund, den Gott mit ihnen geschlossen hat. Und dass dieser Bund besteht, nie hinfällig wurde.
Er erinnert sie an den Retter, den die alten Propheten vor Jahrhunderten angekündigt hatten, und sagt: Jetzt ist es soweit. Dieser Retter kommt.
Die Juden verstanden unter diesem Retter einen von Gott gesandten König, der die Macht im Reich übernehmen würde, die Römer raus werfen und ein Friedensreich errichten würde. Mit ihm waren also ganz irdische und politische Erwartungen verbunden.
Aber dabei blieb Zacharias nicht stehen. Nein: dabei bleibt Gott nicht stehen. Was er nun mit dem Täufer beginnt, hat eine ganz neue Dimension.
Der Retter, der geboren werden soll, auf den Johannes, der Sohn des Zacharias hinweisen soll, dieser Retter vergibt Schuld; in ihm kommt Gottes Erbarmen auf die Erde; Licht aus der Höhe in das irdische Dunkel.
Mit diesem Retter beginnt ein Friedensreich, das nicht auf Israel beschränkt ist, sondern die ganze Welt umfasst. Denn er bringt den Frieden Gottes, er schenkt Heil, das von keinem Unheil mehr eingeschränkt wird, das selbst vom Tod nicht mehr bedroht wird.
Mit ihm tritt die Geschichte Gottes mit den Menschen in eine ganz neue Phase. ER besucht sein Volk, d.h. er schaut nach ihm, wie es ihm geht. Er wendet sich seinen Menschen fürsorglich zu. Darin besteht der Advent.
Advent ist kein Zustand, sondern die Zuwendung Gottes zu uns Menschen. Er kehrt bei uns ein. Und viele Geschichten von diesem Heiland Jesus Christ erzählen ja, wie er eingekehrt ist beim Zöllner, bei Ehebrecherin, wie er in das Leben des Gelähmten kam und des Blinden und es heil gemacht hat.
Gott lässt sich das Geschick seiner abtrünnigen und darum heillosen Menschen nahegehen. Es lässt ihm keine Ruhe. Deswegen setzt er neu an. Deswegen geht er weit  über das hinaus, was sein Volk vom versprochenen Messias erwartet hatte.
Deswegen reagiert Gott auf unsere Abwendung von ihm mit seiner Zuwendung zu uns; auf die menschliche Verschlossenheit ihm gegenüber, indem er neu auf die Menschen zugeht – wortwörtlich zugeht.
Der Lobgesang des Zacharias zeigt, dass ihm diese Dimension des göttlichen Handelns während seiner Auszeit aufgegangen ist. Als das Kind im Mutterleib heranwuchs, sein Sohn Johannes, der später der Täufer genannt wurde – da ist in ihm diese Erkenntnis und Gewissheit gewachsen, die ihn nun so jubeln lässt. Er hat erlebt: Was der Engel verkündet hat, hat sich ereignet. Gott hält Wort.
Was mich wundert: Zacharias kann doch noch gar nichts von dem Heil sehen, über das er so jubelt. Sein Sohn der Täufer ist gerade geboren. Jesus ist noch nicht einmal geboren. Und trotzdem jubelt er, ist er sich sicher, kann wieder glauben und hoffen.
Wie kommt es dazu,?
Das Wort des Engels, die Auszeit und das Zeichen der Geburt seines Sohnes haben das bewirkt.
Und diese drei Faktoren haben wir jetzt auch:
Das Wort der Schrift und, das Zeichen der Geburt Jesu haben wir auch. Und vielleicht ist ja der Lockdown jetzt im Advent unsere Auszeit, in der uns das aufgehen kann – weil wir nicht mehr so abgelenkt sind. Weil der Advent vielleicht tatsächlich mal eine eher stade Zeit ist.
Ich wünsche uns allen, dass wir davon so erfasst und erfüllt werden wie Zacharias – weil wir erkennen und glauben, dass da Gott selber in die Welt kam, um Heil und Segen mit sich zu bringen.
Noch sehen wir wenig davon. Aber wir haben das Zeichen und das Wort Gottes, dass es so kommen wird.
Amen.