Lichtpflege

Kerzen gehören in den meisten christlichen Konfessionen zur äußeren Ausgestaltung des Gottesdienstes. Als Altar-, Oster- und Taufkerzen haben sie ihre besondere Bedeutung und sie stellten ohnehin schon immer in Kirchen eine Notwendigkeit dar, denn vor der Einrichtung des elektrischen Lichtstroms waren sie auch das übliche Raumbeleuchtungsmittel. Aufgesteckt auf hohen Altarleuchtern, auf Kronleuchtern oder in Wandleuchten erhellten sie die oft dämmrigen Kirchenräume und vermittelten mit ihrem Schein wärmende Geborgenheit und eine gewisse Festlichkeit.

Darüber hinaus gibt es gerade für die hohen Leuchter am Altar auch eine theologische Deutung. Sie erinnern an Christus, das „Licht der Welt“, der „denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes“ als ein Licht aufgegangen ist (Matthäus 4, 16). Diese Aussage steht ja auch im Mittelpunkt von Ostern, das ebenso wie Weihnachten ein Lichterfest ist. In der Gestalt der Osterkerze, die man am Osterfeuer entzündet und in die dunkle Kirche trägt, wird die Symbolik des Christuslichtes besonders deutlich. Der evangelische Liederdichter Arno Pötzsch (1900-1956) bringt es in einem Ostergedicht zum Ausdruck:

    Leucht, Herr Christ, du Osterlicht,
    in die Finsternis der Erden!
    Gib der Welt ein neu Gesicht!
    Neu lass auch mich selber werden!

Kerzen für den gottesdienstlichen Gebrauch werden heute durch das Pfarramt im Handel für Kirchenbedarf besorgt, doch noch vor Jahrzehnten war es auch in unserer Gemeinde Brauch, dass Gemeindeglieder Kerzen stifteten oder zu ihrer Anschaffung Geldspenden gaben. Kerzen werden aus Ölen, Fetten und Harzen, aber gerade auch im kirchlichen Bereich mit Beigabe von echtem Bienenwachs hergestellt. In früheren Jahrhunderten verwendete man aber vor allem tierisches Fett, sogenannten Talg. Die lästigen Begleiterscheinungen dieser Talgkerzen waren die starke Rußbildung und das starke Tropfen. Sie konnten nur durch ein regelmäßiges, sorgfältiges Einkürzen des langen Dochtes eingedämmt werden.
Dieses „Schneuzen“ der Dochte war natürlich Aufgabe des Mesners und er bediente sich dabei eines Spezialwerkzeugs, der Dochtschere.

In den alten Inventaren unserer beiden Kirchen wurden sie regelmäßig aufgeführt, erhalten hat sich aber bis heute nur eine „Lichtputzschere“ aus der Neunhofer Kirche, die im Pfarrarchiv aufbewahrt und hier im Bild vorgestellt wird. Sie stammt noch aus dem 17. Jahrhundert und wurde aus Messing gefertigt. Nürnberg mit seinen Rotgießereien war für die Herstellung solcher kunstvoll gestalteten Dochtscheren bekannt und so dürfte auch unser Exemplar von dort bezogen worden sein. Der Unterschied zu einer üblichen Haushaltsschere ist das aufgesetzte Kästchen. Es diente zur Aufnahme des abgeschnittenen Dochtstückes, das möglichst nicht auf die Altardecke oder in das flüssige Kerzenwachs fallen sollte.  Die Schere läuft in einer dornartigen Spitze aus, mit der man nach Löschen der Kerzen den noch weichen Wachsrand begradigen und die Kerzen von herabtropfendem Wachs reinigen konnte. Dies war in den oft zugigen Kirchen regelmäßig erforderlich.

Eigentlich war die Dochtschere ein alltäglicher Gegenstand, der in einfachen Ausführungen auch in jedem Haushalt anzutreffen war. In „besseren Häusern“ und natürlich auch im Gotteshaus gelangten aber – wie im vorliegenden Fall – aufwendig gearbeitete Exemplare zum Einsatz. Vor allem das Dochtkästchen weist wie bei unserem Exemplar feine Reliefverzierungen auf, außerdem ist - schon etwas abgegriffen – die Darstellung des Hl. Georg im Kampf mit dem Drachen als Flachrelief abgebildet. Man hat sich also große Mühe gegeben mit diesem eigentlich nüchternen Gebrauchsgegenstand. Für den „Dienst in Gottes Hause“ sollte selbst jede Kleinigkeit besondere Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Längst ist diese Dochtschere außer Gebrauch, doch für diesen „Fototermin“ wurde sie mit Messingputzmittel sorgfältig gereinigt und erstrahlt wieder im alten Glanz.

Ewald Glückert, Archivpfleger