Predigt zu Matthäus 11,25-30 zur Kirchweih in Neunhof am 21. Juni 2020

25 Zu der Zeit fing Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart.
26 Ja, Vater; denn so hat es dir wohlgefallen.
27 Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will.
28 Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.
29 Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
30 Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Liebe Gemeinde!
Kirchweih feiern wir. Und der Predigttext für diesen 2. Sonntag, den wir soeben gehört haben, passt haargenau dazu.
Denn genau dazu ist die Kirche da. Genau darum muss es in ihr gehen: diesen Ruf, diese Einladung Jesu weiterzugeben: Kommt zu mir, ihr alle, die ihr euch abmüht und belastet seid! Lernt von mir! Findet Ruhe für Eure Seelen bei mir – im Glauben an mich und meinen Vater!
Genau dazu braucht es die Kirche – und nicht um evangelisches Bodenturnen zu veranstalten.
Genau dazu wurden Kirchen gebaut: um dort diese Einladung weiterzugeben;
dass die, die sich abmühen mit dem Leben, mit Schicksalsschlägen, mit Herausforderungen und die dabei immer wieder auch scheitern, verlieren, untergehen, dass die einen Ort haben, wo sie hören und spüren: Gott meint es gut mit mir.
Dass sie wieder Ruhe finden für ihre Seele und das Leben im Vertrauen auf Gott anpacken und leben können.
Doch genau das geht immer wieder in den vielen Aktivitäten der Kirche, der Gemeinde unter. Ganz schnell passiert es, dass anderes wichtiger erscheint, dringender erscheint oder auch leichter vermittelbar – und dann ist die Bildungsreise nach Kambodscha halt doch wichtiger oder man glaubt mit evangelischem Bodenturnen mehr Leute anzuziehen.    
Aber für solche Dinge brauchen wir die Kirche nicht. Das machen andere Anbieter vielleicht professioneller und sogar besser.
Aber um auf Jesus, auf seinen Ruf, auf sein Angebot hinzuweisen, dazu braucht es die Kirche.
Ruhe finden für die Seele - vielleicht haben wir in diesen letzten Wochen mit dieser Coronakrise auch wieder eine Ahnung davon bekommen, wie wichtig das ist. Worauf es im Leben wirklich ankommt.
Nämlich nicht noch ein wenig schneller und noch etwas länger im Hamsterrad zu laufen; nicht noch mehr zu kaufen und zu besitzen; nicht noch mehr Aktivitäten in die begrenzte Zeit zu stopfen und noch mehr zu leisten, sondern runter zu kommen; Zeit füreinander zu haben, Liebe zueinander, Leben miteinander.
Vielleicht haben wir es jetzt gemerkt: das macht das Leben reich und erfüllt.
Und ich vermute, dass manche auch gemerkt haben: Ich vermisse den Gottesdienst, die Zeit mit und für Gott. Das Zur-Ruhe-Kommen im Gottesdienst.
Ich vermisse die schöne Kirche, das gemeinsame Singen, Beten und Hören, die Begegnung mit den anderen vor, in und nach dem Gottesdienst.

Und heute hören wir: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid!
Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst!  Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben!

Darum geht es Jesus, darum geht es in der Kirche. Und das bekommen wir gratis. - Warum aber, so muss man fragen, gehören wir meist trotzdem zu denen, die sich abmühen, abstrampeln und belastet sind.
Jesus spricht uns als solche an, die sich anstrengen,
um Wohlstand zu erreichen; um Ansehen zu gewinnen; um dem Leben einen Inhalt zu geben, es schön zu machen; um Ansprüchen gerecht zu werden.
Wie viele gehen ins Fitness-Studio und betreiben manchmal fast schon selbstquälerisch Bodyshaping, nur um dem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen.
Wieviele arbeiten sich auf, um es im Betrieb zu etwas zu bringen und etwas zu gelten, um sich selber zu zeigen, dass sie etwas wert sind.
Wie viele opfern sich auch, um es in der Familie ja allen recht zu machen und für Harmonie zu sorgen.
Und selbst im religiösen Bereich herrscht bei manchen so ein Druck, um vor Gott zu bestehen, um irgendwie fromm zu sein.
Und jetzt tragen wir auch noch das Joch der Krise, wollen auch die meistern, gut meistern. (Dauerbelastung, Ermüdung, kollektiver Burnout)
Ja, wir gehören schon zu denen, die Jesus anspricht. Zu denen, die meinen alles selber machen zu müssen, alles schaffen zu müssen, die sich durch ihre Leistung definieren – auch vor Gott.

Kommt zu mir, ihr alle, die ihr euch abmüht und belastet seid! Lernt von mir! Findet Ruhe für Eure Seelen bei mir!
So lädt Jesus ein und diese Einladung gilt auch uns heute noch. Die Frage ist: Wird sie gehört? Wird sie angenommen?
Jesus hat schon zu seiner Zeit erlebt, dass es nicht so war. Direkt vor unserem Predigttext lesen wir, wie er gegen die Städte Chorazin, Betsaida und Kapernaum wettert. Diesen Städten werde es noch schlimmer gehen als Sodom.
Denn er hatte in diesen Städten gepredigt, Menschen geheilt, Wunder vollbracht, aber man hörte ihm nicht zu. Alles andere war halt wichtiger.
Außerdem meinten die Städter und vor allem auch die Elite, die religiöse Elite: Wir wissen doch schon Bescheid. Wir wissen auch, wie wir selber das Leben hinkriegen – auch das religiöse. Da musst nicht erst du kommen und uns aufklären. Deswegen nahmen sie die Botschaft Jesu nicht ernst und nahmen sie nicht an. Deswegen sagt Jesus, dass sein Vater es den Weisen und Klugen verborgen hat. Denn die bleiben bei ihrer eigenen Weisheit, wollen sich aber nichts von ihm sagen lassen; wollen nicht von ihm erfahren, wo und wie sie Ruhe für ihre Seelen finden.
Aber man kann Gott nicht ohne Jesus Christus erfassen. Wo man es versucht, bastelt man sich seinen eigenen Gotte und seine eigene Religion. Und dann instrumentalisiert man diesen Gott und diese Religion schnell für seine eigenen Zwecke.
Das tat damals die religiöse Elite, die das Volk mit vielen relgiösen Vorschriften klein hielt. Das tut der brasilianische Präsident Bolsonaro heute. Er lässt seinen politischen, menschenverachtenden Kurs von den Pfingstkirche unterstützen. Die erklären den Leuten, wer richtig glaubt, wird nicht mit Corona angesteckt. Die verkaufen für teures Geld geweihtes Wasser und eine bestimmte Bohnenart, die angeblich gegen die Krankheit schützen.
Warum sollte der Staat dann noch etwas für die Menschen, vor allem für die armen Menschen tun?
Das passiert, wo sich Menschen der Botschaft Jesu verschließen. Wo sie auch in Bezug auf  Gott selber Bescheid wissen und schlau sein wollen.

Aber in unserem Textabschnitt jubelt Jesus, weil sein Vater es den einfachen Leuten offenbart hat. Der Glaube und die Kirche sind keine elitäre Angelegenheit. Es waren schon damals in der Mehrheit die kleinen, ungebildeten, einfachen Leute, die sich von Jesus ansprechen ließen, ihm vertrauten.
Hören, sich ansprechen lassen, sich etwas sagen lassen – mehr braucht es erst mal nicht. Man muss nicht erst Theologie studieren.
Jesus sagt: Kommt zu mir, ihr alle, die ihr euch abmüht und belastet seid! Lernt von mir! Findet Ruhe für Eure Seelen bei mir!
Er sagt nicht: „Kommt her zu mir alle, die ihr noch tiefer in die Trinitätslehre eintauchen wollt, ich will sie euch erklären.“
Jesus sagt auch nicht: „Kommt her zu mir und macht, was ich euch sage, dann wird alles gut.“
Und Jesus sagt nicht: „Strengt euch halt ein bisschen an, dann werdet ihr’s schon schaffen.“
„Kommt zu mir, ihr alle, die ihr euch abmüht und belastet seid! Bei mir werdet ihr Ruhe finden.
Lernt von mir, dass ich es gut mit Euch meine. Dass ich gekommen bin, um zu helfen, zu heilen, zu retten. Lernt von mir, dass Gott euch nicht bedrücken, sondern zum Leben, zum wahren Leben verhelfen will. Ihr findet es bei mir, in der Gemeinschaft mit mir und den anderen Glaubenden.
Das gilt heute noch. Das gilt im Leben und im Sterben.
Jesus verspricht nicht ein einfaches, immer schönes, leidfreies, unbelastetes Leben ohne Probleme und Herausforderungen.
Aber er verspricht, dass wir bei ihm Ruhe finden – auch Ruhe vor den Ansprüchen, die uns knechten, Ruhe vor dem verkehrten und oft zerstörerischen Ansatz, selber sein Leben zum wahren und erfüllten Leben machen zu müssen.
Ja, ich denke es ist tatsächlich auch die Ruhe vor dem Hamsterrad, in dem wir oft laufen und laufen.
Denn all das, was uns in dieses Hamsterrad treibt, verliert bei Jesus und in der Gemeinschaft der Glaubenden an Wichtigkeit.
Denn mit Jesus lernen wir, worauf es wirklich im Leben ankommt: den Nächsten und Gott zu lieben, auf Gott zu vertrauen in Freud und Leid, die Gemeinschaft zu pflegen, auch wenn das immer wieder mal schwierig ist. - Das ist das Joch Jesu, das sich viel leichter tragen lässt, als das Joch der Welt.
Und wie eingangs erwähnt: Ich glaube, in der Coronakrise, als vieles heruntergefahren wurde, haben manche eine Ahnung davon bekommen, was es mit der Ruhe auf sich hat, von der Jesus spricht.
Wir müssen nicht alles schaffen. Wir müssen nicht mit allem alleine fertig werden. Wir müssen nicht im Hamsterrad laufen. Wir müssen nicht perfekt sein und uns perfektionieren. Nein, für uns gilt:
Kommt zu mir, ihr alle, die ihr euch abmüht und belastet seid! Lernt von mir! Findet Ruhe für Eure Seelen bei mir!