Vor genau 600 Jahren

Doch nicht schon wieder ein Jubiläum? Vor 2 Jahren begingen wir die 500. Wiederkehr der Errichtung unserer Pfarrei, vor einem Jahr stand die Einführung der Reformation vor ebenfalls 500 Jahren im Mittelpunkt. Beide Anlässe konnten allerdings nicht so umfassend gefeiert werden, wie es in der Programmvorbereitung vorgesehen war. Die Pandemie schränkte das kirchliche Leben und damit auch diese Jubiläen beträchtlich ein. Es ist Chronistenpflicht, wenigstens an dieser Stelle darauf einzugehen, dass nun in diesem Jahr 2022 eigentlich schon wieder ein denkwürdiges Ereignis zu begehen wäre, dessen Überschrift vereinfacht lauten könnte:

600 Jahre Kirchengemeinde Beerbach.

In der Tat, das Jahr 1422 spielt im Werdegang unserer Gemeinde eine besondere Rolle. Wollte man sich dazu an den authentischen Ort begeben, dann müsste man den nordöstlichen Ortsrand von Großgeschaidt aufsuchen. Von der Bundesstraße 2 zweigt „am Gschaader Berg“ aus Richtung Eschenau kommend die Straße nach rechts in das Großgeschaidter Unterdorf ab und da liegt ein unscheinbares Grundstück, das den Flurnamen „Kronberg“ trägt. Dieses Gelände wurde früher als Hutanger und Wiesenfläche genutzt und die Leserinnen und Leser werden sich fragen, was das denn mit unserer Kirchengemeinde zu tun haben könnte. Die Antwort ist schnell gegeben: 1422 wurde das Gelände von der Kirchengemeinde
Beerbach genutzt.
Im Spätsommer des Jahres 1422 überlässt König Sigmund leihweise das Gelände am Kronberg, das sich im Eigentum des Reiches befindet, zur Nutzung. Man spricht von einem sogenannten Lehen. Belehnt wird die Kirchenstiftung oder die Kirchengemeinde, doch beide Begriffe gab es damals noch nicht. Der Nutzer wird als „St. Niklas zu Perpach“ bezeichnet, und damit ist die Beerbacher Nikolauskapelle gemeint, die wahrscheinlich nur den Chorraum der heutigen Egidienkirche umfasste. Für das Kirchlein handelte bei diesem Rechtsvorgang Otto Tewrl aus Tauchersreuth, dessen Nachnamen man heute wohl als „Deuerlein“ schreiben würde. Aus einer späteren Urkunde des Jahres 1438 erfahren wir, dass Tewrl Gotteshauspfleger war. Er gehörte zu dem vierköpfigen Gremium, das die Beerbacher Kirche und ihren Besitz verwaltete.

Seine Kollegen werden namentlich genannt: Cunz Rehberger aus Niederschöllenbach (Unterschöllenbach), Heinrich Schneider aus Oberschöllenbach und Albrecht Rauh aus Beerbach.  

Die Belehnung nahm der König zusammen mit einer Reihe ähnlicher Amtshandlungen während eines Aufenthalts in Nürnberg vor. Eine Urkunde wurde darüber nicht gesondert ausgestellt, wie es in den damaligen Aufzeichnungen in lateinischer Sprache vermerkt wird: „non habent litteras desuper“ (zu Deutsch: Sie haben darüber nichts Schriftliches erhalten). Aus heutiger Sicht ist das schade, denn dieser Vorgang hat zweifache Bedeutung für unsere Gemeinde:
1. Zum ersten Mal wird von der Nikolauskapelle bei Beerbach gesprochen, und somit ist nachweisbar, dass unsere Kirche damals schon an der heutigen Stelle existierte und in ihren frühesten Teilen über 600 Jahre alt ist.
2. Zum ersten Mal wird auch ein Gotteshauspfleger und damit eine eigenständige Kirchenverwaltung greifbar. Und aus der späteren Urkunde von 1438 erfahren wir durch die Herkunft der genannten Personen bereits etwas über den Einzugsbereich, den diese „Kirchengemeinde“ damals hatte. Erwähnt werden Beerbach, Tauchersreuth, Ober- und Unterschöllenbach. Mehr als 4 Personen gehörten dem Gremium der Gotteshauspfleger nicht an, aber wir können daraus den Umfang der Beerbacher „Urgemeinde“ ermessen. Sie bestand aus den Orten Beerbach, Tauchersreuth, Gaisreuth, Simmelberg, Groß- und Kleingeschaidt, Ober- und Unterschöllenbach, Brand und Steinbach (Ortsteil diesseits der Schwabach) und damit aus dem gesamten westlichen Bereich der damaligen Pfarrei Kirchröttenbach.

Stiftungen und Zuwendungen aus dem 15. Jahrhundert beweisen, dass sich diese Ortschaften bereits damals mit der Beerbacher Kirche eng verbunden fühlten und dort ihre geistliche Heimat suchten, obwohl sie zum Besuch ihres Gotteshauses oft weite, zeitraubende Wege zurücklegen mussten. Diese Entwicklung fand dann 1520 ihren Abschluss mit der Errichtung der Pfarrei. Neunhof, Simonshofen und Bullach schlossen sich im Zeitraum vom 16. bis zum frühen 19. Jh. an.
In seinem Brief an die Gemeinde in Kolossä schreibt der Apostel Paulus vom Glauben und der Hoffnung in Christus, von der Wahrheit des Evangeliums. „Wie in aller Welt, so bringt es auch bei Euch Frucht und wächst von dem Tag an, da ihr von der Gnade Gottes gehört und sie erkannt habt“ (Kol. 1,3-6). Im Rückblick auf 600 Jahre und mehr gelten diese Worte auch für unsere Gemeinde und wir sollten sie weiterhin beherzigen im Hinblick auf die bevorstehenden Veränderungen in den Strukturen unserer Landeskirche, ihrer Gemeinden und damit auch unserer 600-jährigen Kirchengemeinde Beerbach.

Ewald Glückert, Archivpfleger